Ein Song für Europa
Die Band hat ihre größten Zeiten lange hinter sich. Sie waren mal jung, aufregend, schlau, kraftvoll und hatten was zu sagen. Doch interne Probleme führten vor ca. zehn Jahren zu einem krachenden unwiederbringlichen Ende.
Jetzt hat Joey, der Front-Sänger und Gitarrist alle nochmal zu sich ins Landhaus eingeladen. Unbeschwert jammed man mal wieder zusammen. Doch dann packt Joey aus, warum man wirklich hier ist. Es gibt einen Auftrag. Die Band soll sich reuniten.
Für den Grand Prix d’eurovision wird noch ein deutscher Beitrag gesucht. Es soll einer werden, der erfolgreich ist. Vor allem aber soll er bei der kurz nach dem Grand Prix-Finale anstehenden Europawahl möglichst viele junge Menschen mit dem Gefühl „Europa ist wichtig“ zur Wahl bewegen. Die Band-Mitglieder sind mehrheitlich skeptisch. Zu viele ungeklärte Dinge. Zu viele unterschiedliche Interessen und Ausgangspunkte:
Joey hat mittlerweile eine Solo-Karriere gestartet, die mehr recht als schlecht läuft. Aber seine Eltern sind wohlhabend. Und einflussreich, auf ihr Wirken geht der Auftrag überhaupt zurück. Joeys Vater ist ein hohes Tier bei der CDU, könnte bei einer erfolgreichen Wahl richtig Karriere machen, die Rechten drohen aber die Mehrheit zu erlangen.
Joey hielt sich immer für den Leader der Band. Mit Sarah hat er ein 12jähriges Zwillingspäärchen aber mittlerweile auch einen Rosenkrieg, die Scheidung läuft, es geht fast immer um Geld. Da die beiden früher mal das Vorzeige-Band-Päärchen waren, müssen beide mitmachen.
Sarah (Female Singer 1) ist ehrlich. Sie lockt das Geld. Sie braucht es auch. Alle alternativen eigenen beruflichen Versuche sind im Sande verlaufen. Sie hatte auch mal was mit Max. Eventuell sind sogar die Zwillinge von ihm. Das will sie aber nicht so genau wissen. Max hat nämlich im Gegensatz zu Joey gar kein Geld und wäre als Ernährer eine Katastrophe. Aber irgendwie ist er attraktiver.
Max (Bass) führt mit Jenny eine lockere Beziehung. Er möchte eigentlich Kinder und so, ein Familienmensch. Er findet auch die Idee super, wieder zu spielen und pocht immer auf die positiven Erfahrungen und Energien. Richtig gebacken kriegt er alleine nichts.
Jenny (Female Singer 2) ist erfolgreich als Anwältin. Sie machte schon damals die Verträge und überwachte die Buchhaltung. Sie ist nur Max zuliebe nochmal zur Band zurück gekehrt. Sie weiß nichts von Max Affäre mit Sarah.
Tommy (Keyboards) schreibt die Musik. Da Joey die Texte schreibt und alle irgendwie mitwirken, hatte man sich darauf geeinigt, dass alle von den Tantiemen profitieren. Er ist aber nicht zufrieden mit seiner Würdigung. Er hat jetzt aber ein Super-Lied geschrieben, das könnte ein Hit werden. Wenn alle sich einbringen und einen guten Text schreiben…
Karl (Drums) ist der Stille im Hintergrund. Er hat Geschichte studiert und weiß viel über Europa. Erst später stellt sich heraus, dass er AFD wählt und deshalb seinen eigenen Standpunkt zur Europawahl hat.
Allgemein ist die Stimmung gegen Joeys Vorschlag. Sowohl die Europawahl als auch der Grand Prix werden allgemein als unheimlich uncool und uninteressant abgetan. Außerdem verliert Deutschland sowieso immer, weil alle Deutschland hassen. Die Band ist ja schließlich auch so gar nicht Lena Müller-Landrut, und die Message „Ein bißchen Frieden“ kann man auch nicht überzeugend rüberbringen.
Aber das Geld. Der Ruhm…
Joey bringt nach und nach alle dazu, den Vertrag zu unterschreiben. Aber alle haben Bedingungen. Auch und vor allem was den Song angeht. Es wird viel diskutiert, als Kompromiss kommt heraus: Der Song soll eine Art Hymne werden. Kraftvoll. Mit einer Botschaft, die nicht direkt mit Europa zu tun hat, aber aussagt: Es geht um alles, Jetzt oder nie! Und, obwohl oder gerade weil England jetzt nicht mehr dabei ist, soll der Text auf Englisch sein.
Die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Neuordnung der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Gegenwart müssen jetzt stattfinden und genügend Platz und Raum finden neben den Planungen für die neue Karriere, die auf jeden Fall, da sind sich alle einig, nur in diesem einen Song bestehen soll.
Der Tag des Wettbewerbs ist da. Die verschiedenen Länder besinnen sich dieses Jahr wieder mehr auf ihre nationalen Identitäten. Gutes oder schlechtes Zeichen?
Dann kommt unsere Band. Wir erfahren erst jetzt, das sie Europe heißt, ihr Song The final Countdown übertrifft alle Erwartungen. Er gewinnt nicht nur, die Single geht durch die Decke. Irgendwie hat er den Spirit vergangener Tage, als man noch Gemeinsames über Einzelinteressen stellte…
Doch was jetzt? Wird die Band zusammen bleiben? Sind die alten Rechnungen beglichen oder die Gräben jetzt erst recht erkennbar? Und wie geht die Wahl aus?
Text & Komposition